Nierensteine verstehen: Mythen und Fakten für Ihre Nierengesundheit

Mann hält mit Schmerzen seine Seite und über seiner Niere ist ein roter Punkt eingezeichnet

Nierensteine gehören zu den häufigsten urologischen Erkrankungen weltweit. Diese harten Ablagerungen bilden sich in den Harnwegen aus kristallisierten Substanzen, die normalerweise im Urin gelöst bleiben sollten. Etwa 10% der deutschen Bevölkerung wird im Laufe ihres Lebens mindestens einmal mit dieser schmerzhaften Erfahrung konfrontiert. Besorgniserregend ist auch der kontinuierliche Anstieg der Nierensteinerkrankungen in den westlichen Industrienationen während der letzten Jahrzehnte – ein Trend, der möglicherweise mit modernen Ernährungs- und Lebensstilgewohnheiten zusammenhängt.

Im medizinischen Alltag begegnen uns regelmäßig Patienten, die durch Halbwissen und verbreitete Mythen über Nierensteine verunsichert sind. Dieser Artikel soll Ihnen helfen, Wahrheit von Fiktion zu unterscheiden und ein besseres Verständnis dieser Erkrankung zu entwickeln.

Häufige Mythen über Nierensteine – und was wirklich stimmt

Mythos 1: Jeder Nierenstein verursacht unerträgliche Schmerzen

Viele Menschen glauben, dass Nierensteine immer mit extremen Schmerzen verbunden sein müssen. Die Realität ist differenzierter: Kleine Steine, anfangs oft nicht größer als ein Reiskorn, können völlig symptomlos bleiben und unbemerkt ausgeschieden werden.

Schmerzen treten typischerweise erst auf, wenn ein Stein sich von der Niere in den engen Harnleiter bewegt und den Urinfluss blockiert. Dieser Druckaufbau führt dann zu den gefürchteten krampfartigen Schmerzen, die als Nierenkolik bekannt sind. Die ersten Anzeichen können jedoch deutlich subtiler sein – etwa Blut im Urin oder leichte Schmerzen in der Seite.

Das Fehlen von Schmerzen bedeutet also nicht unbedingt, dass keine Nierensteine vorliegen, weshalb auch andere Symptome ernst genommen werden sollten.

Mythos 2: Je größer der Stein, desto schlimmer der Schmerz

Entgegen der intuitiven Annahme gilt hier nicht die Regel „größer gleich schmerzhafter“. Tatsächlich ist häufig die Lage des Steins entscheidender für die Schmerzintensität als seine Größe. Selbst kleine Steine können unerträgliche Schmerzen verursachen, wenn sie sich an engen Stellen im Harnleiter festsetzen.

Größere Steine hingegen können in der Niere verbleiben, ohne nennenswerte Beschwerden zu verursachen – jedenfalls bis sie sich bewegen oder so groß werden, dass sie die Nierenfunktion beeinträchtigen.

Mythos 3: Bei Nierensteinen muss man immer sofort zum Arzt

Nicht jeder Nierenstein erfordert sofortige medizinische Intervention. Kleine, symptomlose Steine gehen häufig von selbst ab. Menschen mit vorheriger Nierensteinerfahrung entwickeln oft eigene Strategien, um leichte Beschwerden zu lindern und den Steinabgang zu fördern.

Dennoch gibt es klare Alarmzeichen, die einen umgehenden Arztbesuch erforderlich machen:

  • Starke Schmerzen in der Seite
  • Blut im Urin
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Fieber oder Schüttelfrost
  • Unfähigkeit zu urinieren

Diese Symptome können auf Komplikationen oder größere Steine hinweisen, die eine medizinische Behandlung erfordern.

Mythos 4: Nierensteine sind ein reines Männerleiden

Diese veraltete Vorstellung entspricht nicht mehr der Realität. Obwohl Nierensteine historisch bei Männern häufiger auftraten, hat die Häufigkeit bei Frauen in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Heute ist das Risiko für beide Geschlechter nahezu ausgeglichen.

Fachleute vermuten, dass dieser Wandel mit verschiedenen Faktoren zusammenhängt – darunter eine säurehaltigere Ernährung in westlichen Ländern sowie eine Zunahme von Risikofaktoren wie Übergewicht und Diabetes bei Frauen.

Mythos 5: Bestimmte Getränke wie Eistee sind Hauptursache, Preiselbeersaft die Lösung

Im Internet kursieren viele vereinfachte Empfehlungen zu Getränken: Eistee, Kaffee oder kohlensäurehaltige Getränke sollten gemieden werden, während Preiselbeersaft als Wundermittel gilt. Die Wahrheit ist komplexer und individueller.

Was bei einem Menschen einen Nierenstein auslösen kann, hat bei einem anderen möglicherweise keine Auswirkung. Wissenschaftliche Studien haben Preiselbeersaft nicht als wirksames Mittel zur Vorbeugung von Nierensteinen bestätigt – bei manchen Steinarten könnte er das Risiko sogar erhöhen.

Die wichtigste allgemeingültige Empfehlung bleibt: Trinken Sie ausreichend Wasser, um den Urin zu verdünnen und die Ausscheidung von steinbildenden Substanzen zu fördern.

Mythos 6: Kalk im Trinkwasser führt zu Nierensteinen

Viele Menschen sind besorgt, dass hartes, kalkhaltiges Wasser die Bildung von Nierensteinen fördert. Diese Annahme ist jedoch wissenschaftlich nicht belegt. Das Kalzium und Magnesium im Leitungswasser sind essenzielle Mineralien für den Körper und führen nicht direkt zur Steinbildung.

Vielmehr sind genetische Veranlagung, allgemeine Ernährungsgewohnheiten und vor allem die gesamte Flüssigkeitsaufnahme entscheidender für das Nierensteimrisiko als die Wasserhärte.

Mythos 7: Man sollte die Kalziumaufnahme reduzieren

Obwohl Kalzium ein Hauptbestandteil der häufigsten Nierensteine ist, sollte die Kalziumzufuhr über die Nahrung nicht eingeschränkt werden. Paradoxerweise kann eine zu geringe Kalziumaufnahme das Risiko für Kalziumoxalatsteine sogar erhöhen!

Der Grund: Ausreichend Kalzium in der Nahrung bindet Oxalat bereits im Darm, verhindert dessen Aufnahme ins Blut und reduziert somit die Oxalatausscheidung über den Urin. Die empfohlene tägliche Kalziumzufuhr liegt bei etwa 1000-1200 mg aus natürlichen Quellen wie Milchprodukten oder besser kalziumreichem Gemüse.

Mythos 8: Hausmittel können Nierensteine einfach auflösen

Trotz zahlreicher Empfehlungen im Internet gibt es keine zuverlässigen Hausmittel, die bestehende Nierensteine auflösen können. Zwar kann eine erhöhte Flüssigkeitsaufnahme, insbesondere Wasser, helfen, kleine Steine auszuscheiden, aber etablierte Steine lassen sich nicht einfach „wegspülen“.

Einige anekdotische Mittel wie Zitronensaft könnten theoretisch durch ihren Citratgehalt hilfreich sein, aber die benötigte Konzentration ist hoch und kann Nebenwirkungen wie Zahnschmelzerosion verursachen. Der Mythos, dass Bier den Steinabgang fördert, ist falsch – Alkohol führt zur Dehydrierung und kann die Situation sogar verschlimmern.

Mythos 9: Nierensteine sind ein einmaliges Problem

Leider sind Nierensteine oft ein wiederkehrendes Gesundheitsproblem. Wer bereits einen Nierenstein hatte, hat ein deutlich erhöhtes Risiko, erneut welche zu entwickeln. Die Rezidivrate liegt bei 30-50% innerhalb von 5 Jahren und steigt auf bis zu 75% innerhalb von 20 Jahren.

Zugrunde liegende Stoffwechselstörungen, Ernährungsgewohnheiten und Lebensstilfaktoren tragen zur wiederkehrenden Steinbildung bei. Daher sind konsequente Präventionsmaßnahmen und regelmäßige ärztliche Kontrollen entscheidend, um das Rückfallrisiko zu minimieren.

Die wissenschaftlichen Grundlagen: Ursachen und Risikofaktoren

Die Entstehung von Nierensteinen ist ein komplexer Prozess, der von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird:

  • Flüssigkeitsmangel: Eine geringe Flüssigkeitsaufnahme führt zu konzentriertem Urin, wodurch sich steinbildende Substanzen leichter ablagern können.
  • Ernährungsfaktoren:
    • Hohe Aufnahme von tierischem Eiweiß (erhöht den Harnsäurespiegel)
    • Hohe Natriumaufnahme (steigert die Kalziumausscheidung)
    • Hohe Zuckeraufnahme (kann zur Steinbildung beitragen)
    • Oxalatreiche Lebensmittel (erhöhen das Risiko für Kalziumoxalatsteine)
  • Übergewicht: Steht in direktem Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für verschiedene Arten von Nierensteinen.
  • Genetische Faktoren: Eine familiäre Vorgeschichte erhöht die Wahrscheinlichkeit für Nierensteine deutlich.
  • Medizinische Grunderkrankungen: Gicht, Hyperparathyreoidismus, renale tubuläre Azidose, entzündliche Darmerkrankungen, Harnwegsinfektionen oder Diabetes können das Risiko erhöhen.
  • Medikamente: Bestimmte Arzneimittel wie hochdosiertes Vitamin D, Vitamin C, Abführmittel oder Diuretika können die Steinbildung begünstigen.
  • Anatomische Besonderheiten der Harnwege können den Urinabfluss behindern und die Steinbildung fördern.

Verschiedene Arten von Nierensteinen

Nierensteine unterscheiden sich in ihrer chemischen Zusammensetzung, was sich auf Behandlung und Prävention auswirkt:

Kalziumsteine (70-80%)

Dies ist die häufigste Art von Nierensteinen. Sie bestehen hauptsächlich aus Kalziumoxalat oder Kalziumphosphat und bilden sich, wenn der Urin mehr Kalzium und Oxalat oder Phosphat enthält, als sich lösen kann.

Harnsäuresteine (15%)

Diese entstehen bei erhöhten Harnsäurewerten im Urin oder dauerhaft saurem Urin (pH < 5,5). Sie treten häufiger bei Personen mit proteinreicher Ernährung, Gicht, Diabetes oder metabolischem Syndrom auf. Wichtig zu wissen: Harnsäuresteine sind auf normalen Röntgenbildern nicht sichtbar.

Struvitsteine (10%)

Auch als Infektsteine bekannt, bilden sie sich als Folge von Harnwegsinfektionen mit speziellen Bakterien, die den Urin alkalisch machen. Sie treten häufiger bei Frauen auf und können schnell wachsen und sehr groß werden.

Zystin- und Xanthinsteine (2%)

Diese seltenen Steine entstehen durch vererbte Stoffwechselstörungen, die zu einer übermäßigen Ausscheidung bestimmter Aminosäuren führen. Zystinsteine können sich sogar bei Kindern bilden.

Symptome und Diagnose

Die Symptome von Nierensteinen können von Person zu Person variieren:

  • Starke, krampfartige Schmerzen in der Seite (Nierenkolik), die in die Leiste, den Unterbauch oder die Genitalien ausstrahlen können
  • Wellenförmige Schmerzattacken, oft begleitet von Übelkeit und Erbrechen
  • Häufiges oder schmerzhaftes Wasserlassen
  • Blut im Urin (makroskopisch sichtbar oder nur im Labor nachweisbar)
  • Trüber oder übelriechender Urin
  • Bei Infektion: Fieber und Schüttelfrost

Die Diagnose umfasst in der Regel:

  • Ausführliches Arztgespräch und körperliche Untersuchung
  • Urinanalysen zum Nachweis von Blut und steinbildenden Substanzen
  • Bluttests zur Beurteilung der Nierenfunktion und Stoffwechsellage
  • Bildgebende Verfahren wie Ultraschall, Röntgen oder Computertomographie (CT)
  • Analyse ausgeschiedener Steine zur genauen Bestimmung der Steinart

Behandlungsmöglichkeiten

Die Therapie richtet sich nach Größe, Lage und Art des Steins sowie dem Allgemeinzustand des Patienten:

Konservative Therapie

Kleine Steine (in der Regel unter 5 mm) können oft durch ausreichende Flüssigkeitszufuhr und Schmerzmittel selbständig ausgeschieden werden. Medikamente wie Alphablocker können den Abgang erleichtern, indem sie die Harnleiter entspannen.

Interventionelle Verfahren

Für größere Steine oder solche, die Komplikationen verursachen, stehen verschiedene Behandlungsmethoden zur Verfügung:

  • Extrakorporale Stoßwellenlithotripsie (ESWL): Bei diesem nicht-invasiven Verfahren werden Stoßwellen von außen eingesetzt, um die Steine zu zertrümmern.
  • Ureteroskopie (URS): Ein dünnes Instrument mit Kamera wird über die natürlichen Harnwege eingeführt, um den Stein zu lokalisieren und entweder zu entfernen oder mit einem Laser zu zerkleinern.
  • Perkutane Nephrolithotomie (PNL): Bei großen Steinen im Nierenbecken oder den Nierenkelchen kann ein kleiner Einschnitt im Rücken den direkten Zugang zur Niere ermöglichen. Auch hierbei handelt es sich um ein endoskopisches Verfahren bei der die Steine z.B. mittels Laser zerkleinert und direkt entfernt werden.
  • Medikamentöse Therapie: Besonders bei Harnsäuresteinen können spezielle Medikamente helfen, die Steine aufzulösen oder ihre weitere Bildung zu verhindern.

Prävention von Nierensteinen

Obwohl Nierensteine nicht immer verhindert werden können, gibt es wirksame Maßnahmen zur Risikoreduktion:

  • Ausreichend trinken: Mindestens 2-3 Liter Wasser täglich verdünnen den Urin und fördern die Ausscheidung steinbildender Substanzen.
  • Ernährung anpassen:
    • Reduzieren Sie tierisches Eiweiß, Natrium und zugesetzten Zucker
    • Achten Sie auf eine ausgewogene Kalziumzufuhr (nicht einschränken!)
    • Begrenzen Sie oxalatreiche Lebensmittel wie Spinat, Rhabarber, Schokolade oder Nüsse
  • Gesundes Gewicht: Übergewicht erhöht das Risiko für Nierensteine
  • Regelmäßige Bewegung: Körperliche Aktivität kann das Steinrisiko senken
  • Medikamentöse Prophylaxe: Bei wiederkehrenden Steinen können je nach Steintyp spezielle Medikamente zur Vorbeugung eingesetzt werden

Fazit

Nierensteine sind eine häufige Erkrankung, die von vielen Mythen umgeben ist. Ein besseres Verständnis der tatsächlichen Fakten kann helfen, das Risiko zu minimieren und im Erkrankungsfall die richtigen Entscheidungen zu treffen.

Die steigende Häufigkeit von Nierensteinen – in Deutschland leiden etwa 3-5% der Bevölkerung daran – unterstreicht die Bedeutung präventiver Maßnahmen. Besonders wichtig ist dabei die ausreichende Flüssigkeitszufuhr und eine ausgewogene Ernährung.

Wenn Sie Symptome bemerken, die auf Nierensteine hindeuten könnten, zögern Sie nicht, ärztlichen Rat einzuholen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung kann Komplikationen vermeiden und dauerhafte Nierenschäden verhindern.

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